Sorgerechtsentscheidung setzt Anhörung des Kindes voraus
Pflicht zur Kindesanhörung auch im Eilverfahren und unabhängig vom Alter des Kindes
Eine Sorgerechtsentscheidung darf gemäß § 159 Abs. 1 FamFG ohne vorheriger Anhörung des Kindes nicht ergehen. Die Pflicht zur Kindesanhörung besteht auch in einem Eilverfahren und unabhängig vom Alter des Kindes. Dies hat das Oberlandesgericht des Saarlandes entschieden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Dezember 2021 untersagte das Amtsgericht Homburg in einem Eilverfahren einer Kindesmutter den Umgang ihres Kindes mit ihrem Lebensgefährten. Zudem sollte sich der Lebensgefährte nicht in der Wohnung der Kindesmutter aufhalten, wenn dieser Umgang mit dem Kind hat. Das Gericht begründete die Anordnungen mit einer Kindeswohlgefährdung. Jedoch hatte es das sechsjährige Kind nicht angehört. Gegen die Entscheidung richtete sich die Beschwerde der Kindesmutter.
Schwerwiegender Verfahrensmangel wegen fehlender Kindesanhörung
Das Oberlandesgericht des Saarlandes entschied zu Gunsten der Kindesmutter. Es liege seiner Ansicht nach wegen der fehlenden Kindesanhörung ein schwerwiegender Verfahrensmangel vor. Die Entscheidung des Amtsgerichts wurde daher aufgehoben und zur Neuentscheidung an das Amtsgericht zurückgewiesen.
Pflicht zur Kindesanhörung auch im Eilverfahren und unabhängig vom Alter des Kindes
Das Familiengerecht müsse gemäß § 159 Abs. 1 FamFG das Kind persönlich anhören, so das Oberlandesgericht. Diese Verpflichtung gelte auch im einstweiligen Anordnungsverfahren und unabhängig vom Alter des Kindes. Es entspreche ohnehin höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass Kinder in einem ihre Person betreffenden Verfahren jedenfalls ab einem Alter von etwa drei Jahren persönlich anzuhören sind. Gründe, die ein Absehen von der Anhörung rechtfertigen, seien nicht ersichtlich.
Kein Rückgriff auf Kindesanhörung in früheren Umgangsverfahren
Soweit das Amtsgericht auf die vor über sieben Monate durchgeführte Kindesanhörung im Umgangsverfahren zurückgriff, hielt das Oberlandesgericht dies angesichts der fehlenden Vergleichbarkeit der Verfahrensgegenstände und des inzwischen verstrichenen Zeitraums für unzulässig.
Verwaltungsgericht Göttingen, Beschluss vom 08.03.2022
- 1 B 274/21 -
Bei Suizidgefahr besteht Pflicht für Ausländerbehörde amtsärztliche Untersuchung vor Abschiebung einzuleiten
Amtsärztliche Auswertung vorliegender ärztlicher und psychologischer Äußerungen unzureichend
Bestehen Anhaltspunkte für eine Suizidgefahr bei einer ausreisepflichten Person, so muss die Ausländerbehörde eine amtsärztliche Untersuchung einleiten und eine fachärztliche Stellungnahme bzw. ein Gutachten einholen. Die amtsärztliche Auswertung vorliegender ärztlicher und psychologischer Äußerungen genügt nicht. Dies hat das Verwaltungsgericht Göttingen entschieden.
In dem zugrunde liegenden Fall wehrte sich ein ausreisepflichtiger Mann im Dezember 2021 mittels eines Eilantrags beim Verwaltungsgericht Göttingen gegen eine Abschiebung. Er führte unter Vorlegung diverser fachärztlicher Stellungnahmen und Arztbriefen an, wegen einer Suizidgefahr nicht reisefähig zu sein. Die Ausländerbehörde hielt die Suizidgefahr nach Aufwertung der ärztlichen Stellungnahmen durch eine Amtsärztin für nicht gegeben.
Feststellung der Reisefähigkeit durch amtsärztliche Untersuchung
Das Verwaltungsgericht Göttingen entschied zu Gunsten des Antragstellers. Die Ausländerbehörde sei in Anwendung des § 24 VwVfg in Verbindung mit § 1 NVwVfG verpflichtet, den Sachverhalt durch eine amtsärztliche Untersuchung samt Einholung einer fachärztlichen Stellungnahme bzw. Gutachtens weiter aufzuklären, soweit sich aus ärztlichen oder psychologischen Äußerungen, dem Vortrag des Ausländers oder aus sonstigen Erkenntnisquellen ausreichende Indizien für eine Reiseunfähigkeit ergeben. So lag der Fall hier.
Amtsärztliche Auswertung vorliegender ärztlicher und psychologischer Äußerungen unzureichend
Die amtsärztliche Auswertung vorliegender ärztlicher und psychologischer Äußerungen sei nach Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht ausreichend.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 02.02.2022 - 21 W 182/21 -
Verlangen der Korrektur eines Nachlassverzeichnisses nicht zugleich Forderung des Pflichtteils
Pflichtteilsstrafklausel nicht bereits durch Wunsch nach Korrektur erfüllt
Setzen sich Eheleute in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Alleinerben und ihre Kinder zu Schlusserben des Längstlebenden ein, wird häufig eine sog. Pflichtteilsstrafklausel vereinbart. Danach verliert ein Schlusserbe seinen Erbanspruch nach dem Längstlebenden, wenn er schon nach dem Tod des Erstverstobenen seinen Pflichtteil fordert. Er erhält dann auch nach dem Tod des Längstlebenden nur seinen Pflichtteil. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat entschieden, dass eine solche Pflichtteilsstrafklausel nicht bereits dann erfüllt ist, wenn der Schlusserbe nach dem Tod des Erstversterbenden eine Korrektur des ihm vorgelegten Nachlassverzeichnisses fordert.
Die Erblasserin war Witwe. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor, von denen eines vorverstorben war und seinerseits zwei Kinder hinterließ. Einige Jahre vor dem Tod des Erstverstorbenen Ehemannes errichteten die Eheleute ein gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten und ihre Kinder, ersatzweise deren Abkömmlinge zu Schlusserben des Längstlebenden beriefen. Für den Fall, dass einer der Schlusserben nach dem Tod des Erstverstorbenen seinen Pflichtteil fordere, bestimmten die Eheleute, dass er dann auch nach dem Längstlebenden nur seinen Pflichtteil erhalten solle (sog. Pflichtteilsstrafklausel). Nach dem Tod des Ehemanns forderte die Beschwerdeführerin die Erblasserin auf, ihr ein Nachlassverzeichnis vorzulegen und verlangte nach dessen Zusendung eine Nachbesserung sowie die Vorlage eines Wertgutachtens betreffend einer in den Nachlass fallenden Immobilie. Zu einer Auszahlung oder einer gerichtlichen Geltendmachung des Pflichtteils kam es nicht. Als auch die Erblasserin gestorben war, beantragte die Antragstellerin als eine der Schlusserben einen gemeinschaftlichen Erbschein auf der Grundlage des gemeinschaftlichen Testaments der Eheleute. Sie berücksichtigte dabei allerdings nicht die Beschwerdeführerin, da diese ihren Erbanteil verwirkt habe. Das Nachlassgericht kündigte mit dem angefochtenen Beschluss den Erlass des beantragten Erbscheins an. Hiergegen legte die Beschwerdeführerin Beschwerde mit dem Argument ein, sie habe nicht ihren Pflichtteil nach dem Tod des Erstverstobenen von der nunmehrigen Erblasserin gefordert.
Auskunftsverlangen allein noch kein fordern des Pflichtteils
Das OLG gab ihr Recht. Die Pflichtteilsstrafklausel sei vorliegend nicht erfüllt. Auch wenn das Einfordern des Nachlassverzeichnisses und die hieran geübte Kritik zu einer Belastung der überlebenden Ehegattin geführt habe, sei darin allein noch kein Fordern des Pflichtteils nach § 2303 Abs. 1 BGB zu sehen, sondern zunächst nur das Verlangen einer Auskunft über den Wert des Nachlasses im Sinne von § 2314 Abs. 1 BGB. Auf eine solche Auskunft sei der Pflichtteilsberechtigte angewiesen, um eine für ihn sinnvolle Entscheidung treffen zu können. Eheleute, die bereits den überlebenden Ehegatten vor einem Auskunftsverlangen der Schlusserben schützen wollten, müssten dies ihm Rahmen der testamentarischen Pflichtteilsstrafklausel deutlich zum Ausdruck bringen. Der Beschluss ist rechtskräftig.
Landgericht Koblenz, Urteil vom 18.11.2021 - 1 O 222/18 -
Erben haben keinen Anspruch auf zu Lebzeiten aus Eigeninteresse verschenkte Besitztümer
LG Koblenz lehnt Klage eines Erben ab
Das Landgericht Koblenz hat die Klage eines Erben abgelehnt, der die Herausgabe eines durch seine Mutter zu Lebzeiten verschenkten Grundstücks begehrte. Die Erblasserin habe aus Eigeninteresse gehandelt. Es handele sich nicht um eine ungerechtfertigte Bereicherung.
Die Parteien sind Geschwister. Ihre Eltern errichteten im Jahre 1969 ein Testament, in dem sich die Ehegatten wechselseitig als alleinige Erben und die gemeinsamen Kinder zu Schlusserben einsetzten. Nach dem Tod des letztversterbenden Ehegatten sollte der Kläger nach diesem Testament ein in K. gelegenes Grundstück als Alleinerbe erhalten. Der Vater der Parteien verstarb zuerst, so dass die Mutter zur nicht befreiten Vorerbin wurde. Die Parteien sowie ein weiterer Bruder wurden zu Nacherben. Lange nach dem Tod Ihres Ehemanns übertrug die Mutter der Parteien der Beklagten unentgeltlich ein Grundstück in P. sowie ihren Miteigentumsanteil am besagten Grundstück in K.. Darüber hinaus erhielt die Beklagte bezüglich des Grundstücks in K. ein kostenloses lebenslanges Wohnungs- und Gartennutzungsrecht. Im folgenden Jahr erteilte sie der Beklagten zudem eine notarielle Vollmacht. Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte die Mutter in den letzten Lebensjahren versorgt und zuletzt auch gepflegt hat. Der Kläger behauptet, dass die mittlerweile verstorbene Mutter der Parteien kein Eigeninteresse an dieser Schenkung gehabt, sondern mit Beeinträchtigungsabsicht zu Lasten des Klägers gehandelt habe. Der Wert des übertragenen Grundbesitzes und der bereits zu Lebzeiten der Mutter an die Beklagte geflossenen Gelder überschritten nach Auffassung des Klägers den Wert der von der Beklagten erbrachten Leistungen jedenfalls ganz erheblich. Der Kläger begehrt die Übertragung des Grundstücks in K. auf ihn selbst und des weiteren übertragenen Grundstücks an die Erbengemeinschaft sowie die Bewilligung der Löschung des Wohnungs- und Gartennutzungsrechts im Grundbuch.
Kein Anspruch auf Herausgabe der Geschenke bei Eigeninteresse des Schenkenden
Eine Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung gemäß §§ 818 ff. BGB hat das Gericht abgelehnt. Eine Herausgabe des Geschenks kann der Erbe in entsprechender Anwendung des § 2287 Abs. 1 BGB nämlich nur dann verlangen, wenn der Erblasser die Schenkung in der Absicht vorgenommen hat, den Erben zu beeinträchtigen. Dies ist zwar schon dann der Fall, wenn der Erblasser weiß, dass er durch das Geschenk das Erbe schmälert. Da der Erblasser dies jedoch nahezu immer weiß, ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zusätzlich eine Missbrauchsprüfung erforderlich. Ein Missbrauch liegt trotz dieses Wissens um die Beeinträchtigung des Erbes dann nicht vor, wenn der Erblasser ein lebzeitiges Eigeninteresse an der vorgenommenen Schenkung hatte. Ein solches Eigeninteresse kommt dann in Betracht, wenn es dem Erblasser im Alter um seine Versorgung und ggf. Pflege geht oder wenn der Erblasser mit dem Geschenk einer sittlichen Verpflichtung nachkommt, weil er einer Person, die ihm besonders geholfen hat, damit danken will. Ein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers liegt zum Beispiel dann vor, wenn der Beschenkte ohne rechtliche Verpflichtung sich um Haus, Garten, Einkäufe, Reinigung etc. kümmert, zumal wenn der Erblasser ein Interesse daran hat, dadurch im eigenen Haus wohnen bleiben zu können. Es ist auch als ein anerkennenswertes Eigeninteresse anzusehen, wenn der Erblasser durch das Geschenk eine ihm nahestehende Person an sich zu binden versucht.
Kein Missbrauch der Verfügungsgewalt durch die Mutter
Der Erbe, der das Geschenk herausverlangen will, ist für das fehlende Eigeninteresse des Erblassers beweispflichtig. Nach durchgeführter Vernehmung von Zeugen nahm das Gericht hier an, dass ein lebzeitiges Eigeninteresse der Erblasserin an der Schenkung bestand, welches der Annahme eines Missbrauchs der Verfügungsgewalt entgegenstand. Nach der Beweisaufnahme war das Gericht davon überzeugt, dass die Beklagte sowohl vor der Schenkung als auch noch danach ganz erhebliche Betreuungs- und Versorgungsleistungen für ihre Mutter erbrachte. So begleitete sie diese bei vielen Gelegenheiten im Alltag, machte Erledigungen, besorgte den Haushalt und unterstützte die Mutter in finanziellen Angelegenheiten. Bereits diese Unterstützungsleistungen stufte das Gericht als erheblich ein, auch wenn die eigentliche Pflege der Erblasserin erst nach der Schenkung erforderlich wurde. Nach der Überzeugung des Gerichts auf Grund der Zeugenaussagen ging die Erblasserin bei der Schenkung davon aus, dass die Beklagte ihr auch weiterhin zur Seite stehen werde, wie es dann tatsächlich auch der Fall war. Das Gericht erkannte zudem, dass der erhebliche Pflegebedarf der Mutter der Parteien anderenfalls zu ganz erheblichen Kosten für einen ambulanten Pflegedienst geführt hätte, um ihrem Wunsch zu entsprechen im Haus wohnen bleiben zu können. Erstrecht hätte eine stationäre Unterbringung in einem Altenheim erhebliche Kosten verursacht, die das Erbe ebenfalls geschmälert hätten.
BVerwG bestatigt Ausweisung aus generalpraventiven Gründen und ruft EuGH an
zu BVerwG, Urteil vom 09.05.2019- 1 C 21.18
Ausweisungen können auch nach der Novellierung des Ausweisungsrechts allein auf generalprliventive Griinde gestützt werden. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden. Zugleich hat es den Europliischen Gerichtshof zur Kllirung von Fragen zur Anwendbarkeit der Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG auf das mit einer Ausweisungsentscheidung einhergehende Einreise- und Aufenthaltsverbot angerufen (Urteil vom 09.05.2019, Az.: 1 C 21.18).
Aufenthalt in Deutschland geduldet
Der im Januar 1986 in Syrien geborene Klliger ist palastinensischer Volkszugehöriger mit ungekllirter Staatsangehörigkeit. Er reiste im September 1990 gemeinsam mit seinen Eltem unter falschen Personalien in die Bundesrepublik Deutschland ein. Erfolglos suchte er um seine Anerkennung als Asylberechtigter nach. ln der Folgezeit wurde sein Aufenthalt geduldet.
Verurteilung wegen Mitgliederwerbung für Terrororganisation
Im April 2013 wurde er wegen Werbens um Mitglieder oder Unterstützer einer ausllindischen terroristischen Vereinigung sowie wegen Gewaltdarstellung und Billigung von Straftaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Ausweislich der tatslichlichen Feststellungen des Oberlandesgerichts gründete und betrieb er von September 2007 his Dezember 2009 im Intemet das "Al-Ansar Media Battalion", das sich zu einem bedeutenden Medium zur Verbreitung islamistiscber Propaganda im deutschsprachigen Raum entwickelte.
Ausweisung aus generalpraventiven Gründen folgte
1m Februar 2014 wies ihn der beklagte Westerwaldkreis gestützt allein auf generalprliventive Erwligungen aus dem Bundesgebiet aus und befristete das mit der Ausweisung einhergehende Einreise- und Aufenthaltsverbot auf die Dauer von sechs Jahren. Widerspruch und Klage sind insoweit ohne Erfolg geblieben. Bereits im Laufe des Widerspruchsverfahrens hob der Beklagte die von ihm verfügte Abschiebungsandrohung auf.
Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes verkürzt
im Juli 2017 hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auf Antrag des Klligers das Vorliegen der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf die Arabische Republik Syrien festgestellt. im Mlirz 2018 hat der Beklagte das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf die Dauer von vier Jahren ab einer etwaigen Ausreise und hiervon unabhlingig bis llingstens zum 21.07.2023 verkürzt.
OVG bestatigt Ausweisung und verkürzte Befristung
Das Oberverwaltungsgericht hat die auf Aufhebung der Ausweisung und Verkürzung der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes gerichtete Berufung des Klligers zurückgewiesen. Eine Geführdung der durch die Ausweisung zu schützenden Rechtsgüter sei unter der Geltung des novellierten Ausweisungsrechts weiterhin auch generalprliventiv zu begründen. Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots begegne keinen Bedenken.
BVerwG: Ausweisung aus generalpraventiven Gründen noch immer möglich
Das BVerwG hat seine Rechtsprechung zu der Regelerteilungsvoraussetzung des Nichtvorliegens eines Ausweisungsinteresses im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (NVwZ 2019, 486) auf die Ausweisung übertragen: Auch nach Inkrafttreten des novellierten Ausweisungsrechts könne die Annahme einer Geführdung der öffentlichen Sicherheit durch den Aufenthalt des Ausllinders im Bundesgebiet allein auf generalprliventive Griinde gestützt werden. Knüpft eine solche Ausweisung an strafrechtlich relevantes Handeln an, so werde deren Erlass in zeitlicher Hinsicht in Orientierung an den Fristen der strafrechtlichen Verfolgungsveıjahrung begrenzt. Bei abgeurteilten Straftaten bildeten zudem die Tilgungsfristen nach dem Bundeszentralregistergesetz eine weitere absolute Obergrenze.
Revisionsverfahren zur KJarung der Anwendbarkeit der Rückführungsrichtlinie teilweise ausgesetzt
Das BVerwG sieht indes unionsrechtlichen Klarungsbedarf , ob die Richtlinie 2008/115/EG (sogenannte Rückführungsrichtlinie) auch in Bezug auf ein mit einer Ausweisungsentscheidung
gemliB § 11 Abs. 1 AufenthGeinhergehendes Einreise- und Aufenthaltsverbot , das dem Schutz der öffentlichen Sicherheit
Bundesgerichtshof: Ermittler dürfen stille SMS nutzen
Geheimdienste verwenden sogenannte stille SMS, um Handys von Straftätern zu orten. Dem Bundesgerichtshof zufolge ist ihr Einsatz mit dem Grundgesetz vereinbar.
Bei der Verfolgung von mutmaßlichen Straftätern dürfen Geheimdienste sogenannte stille SMS nutzen. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in einem schriftlich veröffentlichten Beschluss. Bei der sogenannten stillen SMS wird eine Textnachricht auf ein Handy geschickt – diese wird dort jedoch nicht angezeigt, damit der Nutzer nichts bemerkt. Dennoch baut das Gerät eine Funkverbindung zum nächstgelegenen Mobilfunksendemasten auf. Somit können Ermittler das Gerät unerkannt orten und Bewegungsprofile erstellen.
Im Streitfall hatte ein Funktionär der in Deutschland verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK geklagt. Ermittler hatten die Technik gegen ihn eingesetzt. Später verurteilte ihn das Kammergericht Berlin zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung.
Mit seiner Revision vor dem BGH machte der Kläger zahlreiche Verfahrenshindernisse geltend. Unter anderem argumentierte er, für die stille SMS gebe es keine rechtliche Grundlage. Dem widersprach der BGH. Demnach erlaube die Strafprozessordnung bei einem Verdacht auf Straftaten von "erheblicher Bedeutung" die Ortung eines Mobilfunkgeräts "mit technischen Mitteln". Bei Einführung der Vorschrift im Jahr 2002 habe es die stille SMS zwar noch nicht gegeben, allerdings habe der Gesetzgeber mit der Formulierung "technische Mittel" dem technischen Fortschritt Rechnung getragen und die Vorschrift damit auch für neue Ortungsmethoden offengehalten.
27. Juli 2018, 12:01 Uhr Quelle: ZEIT ONLINE, dpa, js
Bundesverwaltungsgericht, Urteil v. 28.3.2019 – 1 C 9.18
Ein abgeleitetes unionsrechtliches Aufenthaltsrecht kann bei einem drittstaatsangehörigen Ehegatten eines in Deutschland lebenden freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers auch nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft entstehen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden (Az.: 1 C 9.18)
Bundesverwaltungsgericht, Urteil v. 28.3.2019 – 1 C 9.18
Ein abgeleitetes unionsrechtliches Aufenthaltsrecht kann bei einem drittstaatsangehörigen Ehegatten eines in Deutschland lebenden freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers auch nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft entstehen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden (Az.: 1 C 9.18)
Bundesarbeitsgericht, Urteil v. 19.3.2019 – 9 AZR 362/18
Der gesetzliche Urlaubsanspruch besteht auch für den Zeitraum der Elternzeit. Er kann jedoch vom Arbeitgeber nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG gekürzt werden. § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG steht im Einklang mit dem Unionsrecht. Dies hat das Bundesarbeitsgericht am 19.3.2019 entschieden (Az.: 9 AZR 362/18).
EuGH, Urteil in der Rs. C-322/17 (Eugen Bogatu / Minister for Social Protection)
Eine Person muss in einem Mitgliedstaat keine Beschäftigung ausüben, um dort Familienleistungen für ihre Kinder zu beziehen, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen. Dass das Unionsrecht dies nicht verlangt, hat der EuGH am 7.2.2019 deutlich gemacht (Rechtssache C-322/17, Eugen Bogatu / Minister for Social Protection). Zudem sei der entsprechende Anspruch auf Familienleistungen nicht auf den Fall beschränkt, dass der Antragsteller zuvor eine beitragsabhängige Leistung erhalten hat.
EuGHMR, Urteil v. 19.12.2018 – Rs. M.S. / Griechenland, Beschwerde Nr. 20452/14
Die Anwendung der Grundsätze des islamischen Erbrechts auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen gegen den Willen des Erblassers, einen griechischen Angehörigen der muslimischen Minderheit, stellt eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention dar. Es liegt ein Verstoß gegen Art. 14 (Diskriminierungsverbot) der EMRK i.V. mit Artikel 1 des ersten Zusatzprotokolls der EMRK (Schutz des Eigentums) vor. Dies hat der Europäische Gerichtshof für Menschrechte am 19.12.2018 einstimmig entschieden (M.S. / Griechenland, Nr. 20452/14).